Da Ponte, Lorenzo - Deutsche Biographie (2024)

  • Theaterdichter, * 10.3.1749 Ceneda (Vittorio Veneto), 17.8.1838 New York. (israelitisch, dann (römisch)-katholisch)

  • Genealogie

    Aus der jüdischen Fam. Conegliano, die am 29.8.1763 zum Christentum übertrat u. den Namen des Bischofs von Ceneda „Da Ponte“ erhielt;
    V Geronimo (Casparo)Conegliano (* 1722), Corduangerber in Ceneda;
    M Ghella (Rahel) Pincherle ( 1754?); Stiefmutter Orsola Pasqua Paietta;
    (vielleicht bloß Gewissensehe) Triest 1792 Nancy (ca. 1769-1832), T des Kaufm. Joh. Grahl; 4 Kinder.

  • Biographie

    D., bis zu seinem 14. Jahr ohne geregelte Schulbildung, trat 1763/64 in das bischöfliche Seminar in Ceneda ein, nach dem Tode des Bischofs (1768) in das zu Portogruaro, wo er schon 1770 als Professore di belle lettere geführt wurde. April 1772 war er Vicerettore, am 27.3.1773 feierte er nach Empfang der Priesterweihe Primiz. Nach einem Aufenthalt in Venedig wurde er im Herbst 1774 Professore di umanità in Treviso, verlor aber Ende 1776 die Stelle wegen naturrechtlicher Anschauungen. D. lebte sodann abenteuerlich in|Venedig, das er 1779 infolge Verurteilung zu 15 Jahren Verbannung wegen Ehebruchs verlassen mußte. Er begab sich nach Görz, Ende 1780 über Wien (Gedicht auf den TodMaria Theresias) nach Dresden zum TheaterdichterC. Mazzolà, mit dem er Quinaults „Atys und Cibele“ bearbeitete. Von Mazzolà an den Wiener HofkapellmeisterA. Salieri empfohlen, traf D. in der zweiten Hälfte 1781 hier ein, errang die Gunst KaiserJosephs II. und wurde 1783 Theaterdichter der italienischen Oper. Nachdem er 1783 Glucks „Iphigénie en Tauride“ ins Italienische übersetzt hatte, trat er 1784 mit „Il ricco d'un giorno“ (für Salieri) als selbständiger Textdichter hervor, erlitt aber einen Mißerfolg. Schon das Jahr 1786 zeigt ihn aber auf der Höhe seiner Librettistenkunst: dem Erfolg von „Il burbero di buon core“ (fürV. Martin) folgten neben einer Reihe von unbedeutenderen Operndichtungen über Anregung Mozarts „Le nozze di Figaro“, sodann fürV. Martin „Una cosa rara“, 1787 für denselben „L'arbore di Diana“ und für Mozart der „Don Giovanni“, 1788 Salieris „Axur“, 1789 dessen „Cifra“, 1790 Mozarts „Cosi fan tutte“. Ist auch der Hauptanteil an diesen Erfolgen der Kunst der Tondichter zuzumessen, so zeigen schon die Anfeindungen D.s seitens der Wiener italienischen Dichter - gegen mehrere Libretti erschienen eigene Gegenschriften -, daß das Neue seiner Texte wohl erfaßt wurde. Für D. war nicht das Dichterische ausschlaggebend, sondern das Dramaturgische, die Zeichnung der Personen, die Gestaltung der Finali als „una specie di commediola o di picciol dramma da se“, wie sie vor allem der 2. Akt „Figaro“ zeigt. Bewußt wählte D., der sich den Wiener Erfordernissen entsprechend hier fast ganz auf die opera buffa verlegte, nur ausnahmsweise eigene Stoffe und beschränkte sich auf geschickte Bearbeitung fremder, die er dank seiner verstandesmäßigen Einstellung und bald erworbenen Routine meisterlich neugestaltete, nicht ohne mitunter in den an anderen gerügten Fehler dürftiger Handlung zu fallen, den er aber durch elegante, musikalisch empfundene Sprache überdeckte. Mit dem Tod seines kaiserlichen Gönners (1790) endete auch D.s Glanzzeit. Leopold II. entließ ihn im Frühjahr 1791, wozu auch Skandalaffären des Theaterdichters mit der Sängerin Ferrarese viel beitrugen. D. wandte sich nach Triest, später nach London, wo er als Theaterdichter unterkam und unter anderem fürV. Martin „Der Widerspenstigen Zähmung“ (Shakespeare) bearbeitete. Geschäftliche Mißerfolge zwangen ihn 1804 nach Amerika zu fliehen, wo er nach weiterem Unglück als Kaufmann sich in New York als italienischer Sprachlehrer betätigte und sich sogar an der Gründung einer italienischen Oper beteiligte. Hier schrieb D. auch seine Lebenserinnerungen („Memorie scritte da stesso“, 4 Bände, New York 1823, 1826, 1827), die nicht zuletzt als Rechtfertigung gegenüber seinen Gegnern gedacht waren. Sie bieten ein überaus lebensvolles Kulturbild der Lebenszeit D.s, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Mozart, dessen dramatisches Genie er als einer der ersten erkannte, zu bleibendem Ruhm emporstieg. Charakterlich bleibt D. - seinem Freunde G. Casanova gleich - trotz aller Schönfärberei seiner Memoiren eine doch recht fragwürdige Gestalt einer an Abenteurern großen Formats keineswegs armen Zeit.

  • Literatur

    ADB IV;
    A. Marchesan, Della vita e delle opere di L. D., Treviso 1900;
    H. Boas, L. D. als Wiener Theaterdichter, in: Sammelbde. d. Int. Musik-Ges., 1914;
    J. L. Russo, L. D., poet and adventurer, New York 1922;
    Denkwürdigkeiten d. Venezianers L. D., hrsg. v. G. Gugitz, 3 Bde., 1924 (am ausführlichsten u. zuverlässigsten mit reichem Kommentar, W, L, P);
    A. Loewenberg, L. D., in: Music Review, London 1943;
    Ch. Lazare, D. in New York, in: Der Monat, 2. Jg., 1950, S. 282-92;
    P. Nettl, in: Mozart-Jb., 1954;
    A. A. Abert, in: MGG II (W, L, P).

  • Porträts

    v.Sam. F. B. Morse (Union Club, New York).

  • Autor/in

    Alfred Orel
  • Zitierweise

    Orel, Alfred, "Da Ponte, Lorenzo" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 515-516 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118678841.html#ndbcontent

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